„Weißes Pulver aufs Frischfleisch“ – Zeugen belasten Ex-Chef von Berger Wild

Karl Heinz Berger nickt. Ja, er gebe zu, mindestens 15 Tonnen Fleisch, das bereits aufgetaut war, als Frischware verkauft zu haben. Es könne auch mehr gewesen sein, räumt der angeschuldigte ehemalige Firmenchef des einstmals größten Wildzerlegebetrieb Europas, Berger Wild, im Fleischskandalprozess am Mittwoch vor dem Landgericht Landshut weiter ein. Es ist das erste Mal, dass sich der angeschuldigte ehemalige Firmenchef im Fleischskandalprozess um den einstmals größten Wildzerlegebetrieb Europas, Berger Wild, vor Gericht persönlich zu den Vorwürfen äußert. Dabei gibt er auch zu, als Elchfleisch deklariertes Hirschfleisch an einen Großkunden geliefert zu haben. Als Begründung sagt er, es sei „einfach kein Elchfleisch auf dem Markt gewesen“ und er habe den Kunden, der eine schwedische Möbelkette beliefert, nicht enttäuschen wollen.

Über die hygienischen Zustände im Unternehmen, die Zeugen zuvor als katastrophal bezeichnet haben, sagt Berger, der hauptsächlich betroffene Betrieb sei exakt am Tag der Schließung von den Behörden inspiziert worden. Daher seien die Zustände zu bemängeln gewesen. Von den allgemein schlechten Zuständen in den Betrieben habe er nichts gewusst. Ebenfalls habe er nichts von der Beimischung des Stabilisators AC 5 gewusst und dies auch nicht in Auftrag gegeben. Es sei ihm lediglich von der Belegschaft per E-Mail der Vorschlag gemacht worden, das Fleisch könne damit länger haltbar gemacht werden. Auf diesen Vorschlag habe er jedoch nicht reagiert. Als der Richter ihn ungläubig ansieht und Bedenken an diesen Äußerungen zu erkennen gibt, pocht Berger mit der Faust auf den Tisch. „Ich habe davon nichts gewusst“, ruft er erbost und fügt hinzu: „Das müssen Sie mir glauben.“ Ebenfalls emotional wehrt sich Berger gegen die Vorwürfe, vergammeltes oder nicht zum Verzehr geeignetes Fleisch in den Umlauf gebracht zu haben.

Zuvor haben Zeugen Berger schwer belastet. So sagte der für die Fleischbeschau und Hygienekontrolle zuständige Tierarzt aus, er habe mehrmals die Hygienemängel in den Betrieben bei Berger beanstandet. Nur teilweise sei man der Aufforderung nach einer Verbesserung nachgekommen. Zudem habe es durch den Einsatz von polnischen Arbeitern und ständig wechselndem Personal „erhebliche Verständigungsprobleme“ gegeben, die zu erheblichen Hygienemängel geführt haben sollen.

Gleichzeitig kritisiert der Zeuge die Untätigkeit des zuständigen Veterinäramts, dem er nach eigenen Angaben die Zustände in den Betrieben ebenfalls mehrfach gemeldet habe. Am Veterinäramt sei man jedoch weitgehend untätig geblieben. Auch Forderungen des Tierarztes nach mehr Personal für Kontrollen sei man nicht nachgekommen. „An jedem kleinen Schlachthof wird mehr kontrolliert als in Europas größtem Zerlegebetrieb“, ärgert sich der amtlich bestellte Tierarzt. So habe er aus Zeitgründen oftmals die Zahl der in dem Betrieb gelagerten Tiere „einfach geschätzt“. Auch habe er Unterschriften auf Protokollen geleistet, ohne die Produkte vorher gesehen zu haben. „Haben Sie die Protokolle quasi blind unterschrieben?“, fragt der Vorsitzende Richter, worauf der Zeuge antwortet: „Ja, so kann man das wohl sagen.“ Darauf weist ihn der Richter hin, er müsse vor Gericht keine Aussage machen, mit der er sich selbst belaste.

Anschließend sagt ein ehemaliger Mitarbeiter des Unternehmens aus, in der Zeit um Weihnachten sei regelmäßig der nicht zugelassene Zusatzstoff AC 5, mit dem das Haltbarkeitsdatum von Hirschgulasch verlängert werden sollte, dem Fleisch beigemengt worden. „Über die Feiertage wurde keine Ware ausgefahren, daher musste sie länger haltbar gemacht werden“, betont der Zeuge. Die Anweisung zur Beimengung des Stabilisators sei direkt von der Verwaltung gekommen. „Wir haben das weiße Pulver auf das Frischfleisch gegeben“, erzählt er den Vorgang. Auf den Säcken mit dem Pulver sei angegeben gewesen, wie viel Gramm je Kilogramm untergemischt werden könne. „Und davon haben Sie nichts gewusst, Herr Berger?“, fragt der Vorsitzende Richter Alfons Gmelch zweifelnd. Berger antwortet, er habe eben einen liberalen Führungsstil im Unternehmen gepflegt und sich angesichts der Mengen an Fleisch „nicht um jede Kleinigkeit“ kümmern können. Das Urteil soll am kommenden Dienstag gesprochen werden.

Text erstellt für im Rahmen der Gerichtsberichterstattung für die Nachrichtenagentur dapd, November 2006

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